Vom Bundestag in die Wüste geschickt
Cham. (isi) Kurz nach Weihnachten vergangenen Jahres klingelt abends das Telefon und die Bundestagsabgeordnete Marianne Schieder
meldet sich zu Wort: „Du fliegst als Junior-Botschafterin mit in die USA.“ Maria Haberl, eine 15-jährige Schülerin des Robert-Schuman- Gymnasiums (RSG) am anderen Ende der Leitung, fehlen die Worte: „Okay“, sagt sie und vergießt Freudentränen über ihr damit erreichtes
Stipendium.
Für die junge Frau geht ein Traum in Erfüllung, den sie seit der neunten Klasse hegt: „Eigentlich wollte ich mich bei Frau Schieder
bedanken, aber nach der Info konnte ich einfach gar nichts mehr sagen, ich war vollkommen überwältigt.“ Mit diesem Anruf ist sie offiziell Junior-Botschafterin im Rahmen des Parlamentarischen Patenschafts-Programms (PPP), das ihr mit einem Stipendium des Deutschen Bundestages ein Austauschjahr in den USA ermöglicht. Diese Fördermöglichkeit für Schüler und junge Auszubildende geht aus einer Kooperation des Bundestages und des USCongresses hervor.
Mit viel Fleiß zur Junior-Botschafterin
„Bei etwa 250 Bewerbern wurden soziale Umstände, Schulnoten und das allgemeine Engagement beleuchtet. Es ist ein dreistufiges Bewerbungsverfahren, das die Jugendlichen durchlaufen“, erklärt Schieder. Und für sie als Patin war Maria Haberl der Favorit. Engagiert ist die 15-Jährige allemal: Etwa neun Jahre spielt sie schon Handball beim ASV in Cham und Klarinette in der Schul-Big Band, zudem ist sie Lektorin in der Klosterkirche in Cham und Tutorin für die fünfte Klasse am RSG. Bei der letztjährigen Ausstellung der zwölften Klassen zu Anne Frank (wir berichteten) half sie tatkräftig als Peer Guide mit und ließ sich zur Anne-Frank-Botschafterin ausbilden. „Dieses Jahr habe ich mich sehr in der Schule angestrengt, um gute Noten zu bekommen“, meint sie, „damit ich den Austausch machen kann.“
„Sie macht eine ILV, eine individuelle Lernzeitverkürzung, das ist ein Versuch für das neunjährige Gymnasium, es auf acht Jahre zu
verkürzen. Dabei können Zusatzunterrichtsstunden am Nachmittag gewählt werden. Dafür kann Maria, wenn sie quasi in der elften in den USA ist, hier direkt in die zwölfte Klasse einsteigen“, erläutert Schulleiter des RSG, Studiendirektor Rudolf Zell.
Alles begann mit einem Flyer
Erst war sich die junge Frau nicht sicher, ob sie genug politisches Wissen hätte, um auch als Junior-Botschafterin zu fungieren. „Dann fiel mir letztes Jahr so ein Flyer zum PPP in die Hände“, erklärt sie, und die Dinge nahmen ihren Lauf. Fünf Projekte unterstützen das Vollstipendium der Jugendlichen, in Haberls Fall die Allgemeine Stiftung zur Förderung der Jugend, der Behinderten und der Alten (ASF). Sie führte auch ein Interview mit der Stipendiatin und wählte sie anhand eines Motivationsschreibens aus, gab Kontaktdaten zur Gastfamilie weiter und organisierte eine Vorbereitungswoche mit politischen Diskussionen unter den Austauschschülern. Haberl ist froh, denn ihre Gastfamilie sei sehr offen und liberal. „Angst und Zweifel hat mir eine italienische Austauschschülerin genommen, die bis vor Kurzem bei der Familie war.“ Mit ihr und der Familie habe sie über Instagram und WhatsApp guten Kontakt geknüpft. „Meine Eltern sind sehr stolz auf
mich, aber meine Mutter ist auch traurig, denn so lange und so weit war ich ja noch nie weg“, meint Haberl, deren weiteste Reise bis jetzt ein Flug nach London mit ihrer Cousine war.
Von Bayern in die Wüstenlandschaft Arizonas Ihr Vater drücke seine Gefühle humorvoll aus: „Er meinte, dann
wird’s wenigstens ruhiger – ich habe zwei kleinere Schwestern. Er scherzt auch, ich solle mir da drüben jemanden zum Heiraten suchen, dann kann ich dort bleiben, wenn ich will“, gibt sie lachend wieder. Der Bundestag aber verpflichte zum Zurückkommen, fügt sie verschmitzt
an.
Am 9. August geht es für sie los, dann verbringt sie zehn Monate in den USA, genauer gesagt in Gilbert, einem Vorort von Phoenix in Arizona. Dort besucht sie die Gilbert Classical Academy, eine High School, und freut sich besonders auf einen Besuch der Austauschschüler in Washington. „Ich bin gespannt auf die Natur, da ist Wüstenlandschaft, das kenne ich hier ja gar nicht“, meint sie. Bammel hätte sie vor nichts, nur „vor dem Tag der Ankunft und dem Tag des Rückflugs,
weil man da komplett wieder in eine neue Welt reingeworfen wird. Alles andere ergibt sich aber“, meint sie ganz abgeklärt. „Ich will
aber auch ein bisschen Deutschland und Bayern mitnehmen. Vielleicht zeige ich meiner Gastfamilie ein paar deutsche Filme oder wir kochen mal was zusammen“, so Haberl. „Da müssen wir dann jetzt anfangen, die Zubereitung vom Schweinsbraten zu üben“, scherzt Haberls Patin Schieder mit ihrem Schützling.
Quelle: Chamer Zeitung; Isabella Pirkl