Geldpolitik einmal anders – oder, warum zwei Notenbanken zum gleichen Thema auch zwei Meinungen haben können!
Eine Doppelstunde Wirtschaft und Recht der anderen Art durften vor kurzem die Schülerinnen und Schüler der vier Q12-Oberstufenkurse am Robert-Schuman-Gymnasium in Cham erleben. Herr Reinhard Pfaffel, der Leiter der Bundesbankfiliale Regensburg, legte den Schülern die Grundzüge der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise dar. In seinem sehr kurzweiligen und mit zahlreichen aktuellen Beispielen angereicherten Vortrag stellte er zunächst die Zielvorstellung der Geldpolitik im Euroraum heraus. Dabei ging er immer wieder auf Schülerfragen ein und verstand es doch, den roten Faden weiter zu entwickeln.
Vorrangiges Ziel der EZB ist die Preisniveaustabilität oder im geldpolitischen Jargon ausgedrückt eine Inflationsrate nahe bei aber unter 2 %. Davon ist die Inflationsrate im Euroraum derzeit deutlich entfernt, doch unterscheiden sich EZB und Bundesbank hinsichtlich ihrer Einschätzung der Bedrohlichkeit der Lage. Mario Draghi, der Präsident der EZB, wird nicht müde, das Schreckgespenst einer Deflation herauf zu beschwören und begründet damit die expansive Geldpolitik der EZB, angefangen von einer Nullzinspolitik bis hin zu ganz unkonventionellen Maßnahmen, wie dem Aufkaufprogramm von Staatsanleihen. Dies hat derzeit ein Volumen von 2,3 Billionen Euro erreicht und soll mindestens bis Ende 2017 laufen.
In diesem Zusammenhang kam Herr Pfaffel auch auf die Finanz- und Wirtschaftskrise im Euroraum zu sprechen, die im Mittelpunkt der Geldpolitik der EZB zu stehen scheint und ihr derzeitiges Handeln entscheidend mitbestimmt. Die Europäische Zentralbank kann zwar alles dafür tun, dass sich die Wirtschaft in den kriselnden Euro-Staaten so schnell wie möglich erholt, doch kann dies ohne eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in diesen Ländern nicht erreicht werden. Dies kann jedoch nicht ohne zum Teil schmerzhafte Einschnitte von statten gehen. Dabei wurde gekonnt der Bezug zur derzeitigen Situation in Griechenland hergestellt. Im Gegensatz zur Sichtweise der EZB ist die Bundesbank der Meinung, dass die derzeitig niedrigen Inflationsraten nicht gefährlich seien. Dafür spricht auch eine Kerninflationsrate, die sich konstant um 1 % bewegt. Die Verbraucher freuen sich z.B. über niedrige Benzin- und Heizölpreise und geben das Ersparte für andere Konsumzwecke aus. Damit sind die niedrigen Energiepreise nichts anderes als ein riesiges Konjunkturprogramm für die Wirtschaft in den Eurostaaten. Dies alles rechtfertigt zwar eine expansive Geldpolitik, doch sind alle weiteren Krisenmaßnahmen, wie z.B. das Anleihenaufkaufprogramm aus Sicht der Bundesbank überflüssig und mit deutlichen Risiken behaftet. Ausgehend davon erläuterte der Referent das geldpolitische Instrumentarium der EZB, dessen Kern die Zinspolitik bildet, erklärte die Wirkungsweise eines sinkenden Hauptrefinanzierungssatzes auf realwirtschaft-liche Größen wie Wirtschaftswachstum oder Preise und betonte dabei auch, dass ein zinspolitischer Schritt erst mit einer Verzögerung von mindestens einem Jahr in der Realwirtschaft ankommt.
Herr Pfaffel verstand es dabei hervorragend, immer wieder auf andere Politikfelder einzugehen, die Schüler mit einzubinden und die nicht immer einfachen Zusammenhänge anschaulich zu verdeutlichen. Am Ende richtete er den eindringlichen Appell an die Schülerinnen und Schüler, sich noch mehr für ökonomische Zusammenhänge zu interessieren, da viele Entscheidungen aus dem Bereich der Geld- und Wirtschaftspolitik uns auf den ersten Blick nicht betreffen, jedoch mittelbar sehr starke Auswirkungen in unserem ganz persönliche Umfeld haben. Sämtliche Kursteilnehmer gingen jedenfalls mit dem Gefühl aus der Aula, bei diesem Vortrag nicht nur etwas für Unterricht und Abitur sondern vor allem für das Leben gelernt zu haben.